Rede von Marc Schemmel am 16. Januar 2024 am Dessauer Ufer

Vielen Dank für die Einladung zu dieser Gedenkveranstaltung und die Gelegenheit, hier als Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, aber vor allem auch als Enkel zweier KZ-Überlebender ein paar Worte sagen zu dürfen.

Meine Großeltern haben die Konzentrationslager Sachsenhausen, Neuengamme und Ravensbrück überlebt. 

Mein Opa – Herbert Schemmel – war über vier Jahre als Häftlings-Lagerschreiber in Neuengamme mit den täglichen Funktionsabläufen – Appellen, Zugängen, Todeslisten, Transporten und Überstellungen in die zahlreichen Außenlager Neuengammes befasst und war so einer der Häftlinge, der sehr tiefe Einblicke in die unmenschlichen Machenschaften der SS erhielt.

Daher war er auch einer der Hauptzeugen bei fast allen westdeutschen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren, in denen es um Verbrechen im KZ Neuengamme ging.

Meine Großeltern haben mit viel Glück die Zeit im KZ überlebt – dieses Glück hatten viele andere Mithäftlinge nicht, so auch die 106 Niederländer, die heute vor 79 Jahren – am 16. Januar 1945 – aus dem Groninger-Gefängnis ins Konzentrationslager Neuengamme deportiert wurden. Niemand von ihnen überlebte; 29 kamen allein hier im Lagerhaus G am Dessauer Ufer ums Leben.

Die Erinnerung an die Geschichte dieses Außenlagers, die Erinnerung an die vielen Menschen, die hier Zwangsarbeit verrichten mussten, die Erinnerung an diejenigen, die hier ums Leben kamen, sind eine Verpflichtung für uns alle.

Daher bin ich sehr dankbar, dass es Vereine, Initiativen, Gedenkstätten und hier so engagierte Menschen gibt, die durch ihre Arbeit die Erinnerung an die vielen Opfer und Verfolgten des NS-Regimes lebendig halten.

„Nie wieder Faschismus“ – Diese Maxime war für meine Großeltern nach dem Ende des 2. Weltkrieg eine Lebensaufgabe und so haben sie sich bis zu ihrem Tode dafür eingesetzt, dass man über das, was ihnen und vielen anderen Menschen unter der Herrschaft der Nazis angetan wurde, weiter spricht, forscht und informiert und dass man daraus auch eine Haltung für die Zukunft entwickelt.

Gerade in diesen Wochen erleben wir wieder, wie Rechtsradikale planen, dieses Land kaputt zu machen und die Gesellschaft weiter zu spalten.

AfD-Politiker diskutieren unverhohlen mit Rechtsextremen und Unternehmern über Deportationen von unliebsamen Bürgerinnen und Bürgern ins Ausland. Auch in Hamburg sind Treffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremen bekannt. 

Jede und jeder kann sich also ein Bild davon machen, dass die AfD in weiten Teilen eine rechtsextreme Partei ist, die an der Abschaffung von Rechtsstaat und Demokratie arbeitet. 

Daher ist es wichtig, dass auch die Mitte der Gesellschaft laut wird und sich engagiert und dass es aus der Mitte der Gesellschaft ein viel klareres Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit gibt, damit sich die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte nicht wiederholen.  

Eine Möglichkeit „laut und sichtbar zu sein“ gibt es am Freitag-Nachmittag (15.30h): Unter dem Motto „Hamburg steht auf“ ist da eine große Kundgebung auf dem Rathausmarkt geplant, zu der ein breites Bündnis aus Kultur, Wissenschaft, Religionsgemeinschaften und Gewerkschaften aufgerufen hat.

Unsere Generationen tragen keine direkte Verantwortung für das hier Geschehene, aber wir tragen die Verantwortung, dass wir mit dem Wissen um das Geschehene alle daran mitwirken, dass so etwas nie wieder passiert.