Einer der niederländischen NS-Opfer, dass am Dessauer Ufer ums Leben kam, war Willem August Theodorus Niemeijer aus Groningen. Er starb am 16. Februar 1945. Die Nazi sprachen in der Sterbeanzeige von einer Sepsis.
Willem Niemeijer wurde am 8. März 1907 in Groningen geboren. Sein Vater, Theodorus Niemeijer, besaß eine Tabakfabrik in Groningen, einem Zentrum der niederländischen Zigarrenproduktion. Nach Darstellung von Wil Legemaat wurde Willem als vorgesehener Nachfolger im Unternehmen seines Vaters, der Koninklijke Theodorus Niemeijer, eingestellt. Ab 1932 war er Direktor der Kaffee- und Teefabrik, einer Unternehmensparte und stellvertretender Direktor der Tabakfabrik. In Groningen wohnte er im Lutsborgweg 56, im Stadtteil Haren, wo auch weitere Familienmitglieder der Niemeijer wohnten.
Nach der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht gründeten bürgerliche Kräfte im Juni 1940 die Bewegung „Niederländische Union“ (NU). Willy Niemeijer trat ihr bei. Die NU rief die Niederländer auf, die neue politische Realität zu akzeptieren und plädierte für eine Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern. „Als Mitglied der gesellschaftlichen Elite sah Niemeijer es in dieser Periode als seine Aufgabe an, die Auswirkungen der Besatzung auf die Bevölkerung zu minimieren.
In Haren bildeten 12 prominente Harener, allesamt Mitglieder der Union, ein Komitee, das sich wöchentlich traf, um darüber zu beraten, wie die niederländische Identität unter der deutschen Herrschaft aufrechterhalten werden konnte und wie Widerstand geleistet werden konnte, ohne sich auf illegale Aktivitäten einlassen zu müssen.“
Nachdem die NU sich weigerte, ihre offizielle Unterstützung für den deutschen Angriff auf die Sowjetunion auszusprechen, kühlte ihr Verhältnis zu den deutschen Besatzern merklich ab. Darüber hinaus erschien im Juli 1941 ein Artikel in De Unie, in dem sich die Führung klar vom Nationalsozialismus distanzierte und die nationale Souveränität der Niederlande einforderte. Neben einem Versammlungsverbot und einer Geldbuße in Höhe von 60.000 Gulden wurde die Verbreitung von De Unie untersagt. Dem folgten ein Verbot aller Aktivitäten zum 31. August 1941 und anschließend die Auflösung der Organisation zum Ende des Jahres durch die Nazis.
Einer der Gründer der NU, Johannes Linthorst Homan, der Kommissar der Königin in der Provinz Groningen, lebte 1941 illegal bei Willem Niemeijer in Haren, nachdem die Organisation von den Nazis verboten war. „Die Gruppe aus Haren, zu der auch Willy Niemeijer gehörte, blieb nach dem Verbot der Union im Untergrund aktiv und schloss sich 1943 dem Nationalen Widerstandskomitee (NC) an, einer nationalen Widerstandsorganisation, die sich hauptsächlich aus Akademikern, Studenten und wohlhabenden Personen zusammensetzte.
Willem Vasbinder aus Haren – zuvor Mitglied der Niederländischen Union – war einer der Führer des Nationalen Komitees von Groningen. Später erklärte er, dass die Harener Gruppe „…seit 1940 im Geiste auf Widerstand gegen die Besatzungstruppen eingestellt war“. Die NC-Organisation bestand aus mehreren Gruppen: Die Industriegruppe, der Niemeijer angehörte, verschaffte Jungen, die zum Arbeitsdienst einberufen wurden, Arbeitsplätze, die eine „Unentbehrlichkeit“ voraussetzten.
Die Organisation bestand aus mehreren Gruppen: Die Industriegruppe, der Niemeijer angehörte, verschaffte Jungen, die zum Arbeitsdienst einberufen wurden, Arbeitsplätze, die eine „Unentbehrlichkeit“ voraussetzten. Der NC unterstützte auch den Nationalen Hilfsfonds (NSF). Niemeijer wurde stellvertretender Bezirksleiter in der Provinz Groningen für den NSF. Er war an der Sammlung von Geldern zur Finanzierung des Widerstands beteiligt. Niemeijer setzte sich auch für die praktische Unterstützung der Untergetauchten ein: Er versorgte sie mit Couponkarten und Lebensmitteln. Für viele Widerstandskämpfer war Niemeijer auch deshalb eine wichtige Figur, weil er allen zu Zigaretten, Zotteln, Kaffee und Tee verhalf.
Nach einiger Zeit innerhalb des NC wurde Willy Niemeijer auch auf Provinzebene aktiv; engagierte sich im Nachrichtendienst und hatte Kontakte zu Mitgliedern anderer illegalen Gruppen.
Im Herbst 1944 wurde die Gruppe Roelof enttarnt, zu denen Niemeijer Kontakte unterhielt. Sie unterhielt Funk- und Telefonverbindungen nach England. Am 13. November 1944 wurde Willy Niemeijer verhaftet und in das Scholtenhuis in Groningen gebracht. Nach Verhören landete er in der Arrestzelle.“
Am 16. Januar 1945 wurde Niemeijer zusammen mit 106 anderen Groninger Häftlingen in den Zug überstellt, der sie ins KZ Neuengamme brachte. Hier kamen sie am 18. Januar 1945 an. Niemeijer gehörte zu den 40 Personen dieses Transports, die keine „Torsperre“‘ erhielten. Häftlinge mit einer Torsperre durften das Lager nicht verlassen. Um die anderen Häftlinge einzuschüchtern, zu bestrafen und zu quälen, wurden einige Torsperre-Häftlinge regelmäßig in der Öffentlichkeit gehängt.
Willem Niemeijer lebte im Außenlager Dessauer Ufer. Vier Wochen nach seiner Ankunft in Neuengamme, am 16. Februar 1945, starb er nach Angaben eines Zeugen an den Folgen eines Bombenangriffs und nach Angaben eines anderen Zeugen an den Folgen mehrerer Krankheiten. Er wurde 37 Jahre alt. Niemeijer wurde am 22. Februar 1945 im Konzentrationslager begraben. Später wurden die sterblichen Überreste auf dem niederländischen Ehrenfeld in Hamburg-Ohlsdorf beigesetzt, wo sich auch das Grab von Jan Hendrik Droppers aus Haren befindet.
Fünfzig Jahre nach dem Tod von Willy Niemeijer erhielt seine Familie ein Paket vom Roten Kreuz. Es enthielt Willys Uhr, die ihm am 18. Januar 1945 in Neuengamme abgenommen worden war.
Das Tabakunternehmen Theodorus Niemeijer B.V. bestand bis 1990 als eigenständiges Unternehmen, dann wurde es von der südafrikanischen der Rothmans-Unternehmensgruppe übernommen. 1999 übernahm British American Tobacco (BAT) die Rothmanns und damit auch Niemeijer. 2020 wurde die Schließung des Unternehmens in Groningen verkündet.
Quelle: https://monument.vriendenkringneuengamme.nl/person/403476/willem-niemeijer
Über das Lagerhaus G am Dessauer Ufer im Hamburger Hafen 